Obstbäume altern mit der Zeit. Um wertvolle alte Sorten erhalten zu können, wendet man eine spezielle Veredelungstechnik – die Winterhandveredlung an. Mit dieser Methode hat die Obstarche Reddelich im Februar 2016 insgesamt 60 alte Apfel- und Birnensorten aus Mecklenburg-Vorpommern vermehrt. Die Edelreiser, alles Sorten aus Mecklenburg-Vorpommern, erhielten wir vom Pomologen Jens Meyer vom Streuobstnetzwerk. Die Winterhandveredlung der Reiser wird vom Fachbetrieb in Kröpelin ausgeführt. Dafür danken wir recht herzlich und freuen uns schon auf die jungen Bäume. Umgangssprachlich wird dies auch als Pfropfen bezeichnet. Obstbäume müssen über Veredlungen vermehrt werden, weil die durch lange Auslese erzielten speziellen Sorteneigenschaften nicht erbfest sind. Bei der Aussaat von Samen spalten die Nachkommen gemäß den Mendelschen Regeln auf. Das Hauptziel der Winterhandveredlung ist es, sortenechte Nachkommen zu erhalten.
So geht die Winterhandveredlung
In den Wintermonaten bringen Sie dazu einige mindestens bleistiftstarke 1- bis 3-jährige Triebe des Obstbaumes. Die geschnittenen Triebe lassen Sie bitte so lang wie es geht, damit die passende Reiserstärke zur Unterlage ausgewählt werden kann. Nach erfolgreicher Winterhandveredlung ihrer Lieblingssorte bekommen Sie bereits im darauffolgenden Herbst einen jungen frisch veredelten Obstbaum. Mit dem neuen Baum sichern Sie den Fortbestand Ihrer alten Sorte für die Zukunft.
In der Bilderfolge ist die Kopulation eines Obstbaumes durch die sogenannte Winterhandveredelung zu sehen. So geht es:
Aus den abgegebenen Langtrieben werden im Januar/Februar die zur Unterlage passenden Reiser geschnitten.
Passend zum Edelreis wird eine gleichstarke Unterlage ausgesucht. Nach dem Säubern der zukünftigen Veredelungsstelle wird hier ein glatter Schrägschnitt (Kopulationsschnitt) durchgeführt. Ein gleichlanger glatter Schrägschnitt wird ebenso an dem Reis vorgenommen. Beim Veredeln wird ein spezielles fein geschliffenes scharfes Messer verwendet.
Die beiden entstandenen Schnittflächen werden lückenlos aufeinander gelegt. Hierbei müssen die beiden äußeren Kambiumringe der Reiser sorgfältig aufeinandergelegt werden. Damit gewährleisten wir ein gutes Zusammenwachsen der beiden Kambiumschichten. Kambium ist die Wachstumsschicht zwischen der Splintzone und der Rinde (Bastzone und Borke). Diese Veredelungsmethode heißt Kopulation.
Anschließend wird die Veredelungsstelle mit einem speziellen Gummiveredelungsband fest umwickelt. Das Band löst sich später nach dem Anwachsen des Reises von selbst ab.
Die fertige Veredelung wird sorgfältig etikettiert und abschließend noch in Rebwachs getaucht. Mit dieser Versiegelung können kein Schmutz, Keime, oder Feuchtigkeit in die Schnittstellen eindringen. Das Kambium beider Triebe kann nun zusammenwachsen.
Die fertig veredelten Bäume werden anschließend getopft und bis zum Spätsommer weiterkultiviert. Abhängig von der Qualität der Reiser sowie des Witterungsverlaufs, erreichen die Veredelungen in einer Vegetationsperiode erfahrungsgemäß Wuchshöhen von ca. 50 cm bis 130 cm. Diese können dann bis zur gewünschten Stammhöhe weiter gezogen werden.
Historie:
Schon in der Antike war die Technik der Veredelung bekannt. Bereits vor rund 3000 Jahren hegten die Phönizier in ihren großzügig gestalteten Obstgärten veredelte Bäume. In Europa wird diese Form der Obstbaumvermehrung erst seit dem Mittelalter praktiziert. Sie ermöglichte es, die schon im Mittelalter angebauten Obstsorten bis in die heutige Zeit zu erhalten.